Wie lässt sich eine untergegangene Kultur verstehen, die keine eigenen Schriftzeugnisse hinterlassen hat? Über die Kelten, die im 1. Jahrtausend v. Chr. weite Teile Mitteleuropas besiedelten, berichten zwar griechische und römische Schriftsteller. Ihre Ausführungen über die „barbarischen“ Stämme sind aber oft ungenau und durch Vorurteile geprägt.
Die Kelten selbst sprechen dagegen »nur« durch ihre materiellen Relikte zu uns. Keltische Waffen, Gefäße, Münzen sowie Schmuck- und Kultobjekte waren häufig reich verziert: mit abstrakten Ornamenten, mit Darstellungen der Gestirne, mit Tier- und Menschenbildern, mit merkwürdigen Mischwesen und sogar mit komplexen Szenen von Mythen, Riten und Festen. Dabei übernahmen die Kelten Anregungen aus dem Mittelmeerraum und dem Vorderen Orient, entwickelten aber zunehmend eine eigene Bildsprache, in der sich ihre Welt- und Glaubensvorstellungen widerspiegeln.
Eine Besonderheit bilden zum Beispiel die keltischen Vexierbilder, bei denen – je nach Blickwinkel des Betrachters – Menschen, Tiere und Pflanzen fließend ineinander übergehen. Hinter dieser Vieldeutigkeit könnte der Glaube an Wesensänderungen stehen, der sich auch in schamanistischen Vorstellungen wiederfindet. Möglicherweise geht dies mit keltischen Vorstellungen einer Seelenwanderung einher, von denen spätere Schriftquellen berichten. Diese religiöse Motivation lässt sich insbesondere im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. an Kleinplastiken sowie Schmuck- und Trachtgegenständen ablesen, etwa an den sogenannten Maskenfibeln.
Der Entschlüsselung der vielfältigen Darstellungsformen aus dem keltischen Kulturkreis widmet sich die neue Sonderausstellung »Die Bilderwelt der Kelten«, die noch bis zum 24.02.2019 im kelten römer museum manching zu besichtigen ist und von Prof. Dr. Rupert Gebhard kuratiert wurde, dem leitenden Sammlungsdirektor der Archäologischen Staatssammlung München. Die Besucher erwarten mehr als 100 hochkarätige Objekte, die durch ein innovatives Lichtkonzept in besonderem Glanz erstrahlen. Den inszenatorischen Rahmen bilden großformatige Waldmotive, ein Verweis auf den heiligen Hain der Kelten und ihren Glauben an die beseelte Natur.